Aufrüstung: Chinas geplante Luft-Luft-Rakete stellt die der Bundeswehr in den Schatten

China entwickelt Luft-Luft-Raketen mit sehr hoher Reichweite. Dahinter steckt das Konzept eines Luftkriegs, der in den Weltraum reicht und Drohnen und Satelliten einbezieht.

Feb 18, 2025 - 01:46
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Aufrüstung: Chinas geplante Luft-Luft-Rakete stellt die der Bundeswehr in den Schatten

China entwickelt Luft-Luft-Raketen mit sehr hoher Reichweite. Dahinter steckt das Konzept eines Luftkriegs, der in den Weltraum reicht und Drohnen und Satelliten einbezieht.

China hat Ende 2024 gleich zwei neue Stealth-Fighter vorgestellt und damit die Welt geschockt. Beide Maschinen sind sicher noch keine Serienprodukte, aber weit mehr als Modelle für den Messestand. Die zwei Maschinen wurden in der Luft präsentiert.

Gleichzeitig entwickelt Peking neue Luft-zu-Luft-Raketen. Das sind Missiles, die von einem Flugzeug gestartet werden, um ein anderes Luftziel zu vernichten. Dabei setzen die Chinesen auf Reichweite. Ihre Raketen PL-17 und PL-21 besitzen schon jetzt einen Aktionsradius von etwa 350 bis 400 Kilometern. Er ist damit etwa doppelt so weit wie bei den heutigen US-Waffen oder der MBDA Meteor der Bundeswehr. Diese Luft-Luft-Raketen für große Entfernungen reichen etwa 200 Kilometer weit.ART 6 Generation Fighter 17.33

Der Vorteil der großen Reichweite ist offensichtlich: Der eine Jet feuert seine Raketen auf einen Gegner ab, der selbst hilflos ist, weil seine Waffensysteme die Distanz gar nicht überbrücken können. Damit aber nicht genug: Peking arbeitet an Luft-zu-Luft-Raketen mit Hyperschalltechnologie und einem Aktionsradius von 1000 Kilometern. Prototypen der Raketen in Originalgröße wurden bereits in einem speziellen Windkanal getestet, der die Bedingungen eines Hyperschallfluges simuliert. Der Kanal kann Luftströme mit einer Temperatur von Tausenden von Grad erzeugen. Die US-Airforce geht davon aus, dass von See oder vom Boden aus operierende Luftabwehrraketen eine Reichweite von 1600 Kilometern und mehr erreichen werden.

Chinas neuer Stealth-Jet

Beides zusammen reduziert den "ungefährdeten" Luftraum deutlich. Luftgestützte Raketen einer derartigen Reichweite verändern drastisch das, was man sich bisher unter Luftkampf vorgestellt hat. Ein Luftkampf auf Sicht ist nicht vorgesehen. Ein Gefecht von Flugzeug zu Flugzeug, bei dem die Maschinen auf geringe Entfernung versuchen, sich auszumanövrieren – der sogenannte "Dogfight" –, wird nicht mehr stattfinden.

Für die künftige Art der Kampfführung ist einer der neuen chinesischen Stealth-Jets, J-36, vermutlich entworfen worden. Seine Rolle ist die eines Raketenträgers. Die Maschine muss groß genug sein, um die weitreichenden und entsprechend dimensionierten Luft-Luft-Raketen aufnehmen zu können. Für die J-36 wurde daher der Begriff "Kreuzer" vorgeschlagen: Ihre Aufgabe könnte es sein, sich in sehr großer Höhe mit Hyperschallgeschwindigkeit zu bewegen und von dort aus diese weitreichenden Waffen zu starten.

Ende der Awacs-Ära 

Aber nicht nur die Kampfflugzeuge werden wohl eine neue Rolle einnehmen. Die Auswirkungen auf den Luftkrieg an sich sind gewaltig. So dürften die Tage der großen Flugzeuge für die Luftraumaufklärung und -überwachung gezählt sein. Die Aufgabe von Fliegern wie der Awacs der Nato besteht heute darin, den Luftraum von oben zu überwachen. So haben sie mehr Reichweite als Bodenanlagen, die von der Erdkrümmung behindert werden. Sie erfassen mögliche Ziele und koordinieren die Maßnahmen der eigenen Streitkräfte. Sie selbst bleiben dabei in einer sicheren Entfernung. Doch mit Waffen von 1000 Kilometer Reichweite und mehr wird es keine sichere Entfernung mehr geben. Awacs würden zu den ersten Zielen gehören. Auch die schnelle Verlegung von Truppen mit Transportflugzeugen würde deutlich behindert.WISSEN Quanten-Radar

Aufklärung durch Drohnen und Satelliten

Wenn Peking Waffen mit einer so großen Reichweite entwickelt, stellt sich die Frage, wie diese überhaupt ihr Ziel finden können. Zielerfassung und Endanflug übernimmt die Rakete selbst. Doch sie muss schon in das Zielgebiet gelenkt werden. Die in Kampfjets eingebauten Radaranlagen reichen im besten Fall etwa 400 und keine 1000 Kilometer weit. Dafür gibt es zwei Antworten, die vermutlich beide zutreffen. 

Zunächst kommen Satelliten infrage. Das Pentagon nimmt an, dass China seine weltraumgestützten Überwachungsfähigkeiten zur Unterstützung von Präzisionsschlägen und seine militärischen Aufklärungssatelliten weiter ausbaut. Die verbesserten Fähigkeiten der Spionagesatelliten führen dazu, dass sie nicht nur Ziele an Land und auf See ausspähen, sondern auch Luftziele aufklären können. Verbesserte Datenauswertung und feinere Erfassung können dazu führen, dass die Verhältnisse eines komplett einsehbaren Schlachtfelds, wie es Aufklärungsdrohnen lokal im Ukrainekrieg erreichen, von Satelliten im globalen Maßstab verwirklicht werden. Dann aber nicht als Billigwaffe für jedermann, sondern nur für den exklusiven Club der Länder, die eine Flotte von Überwachungssatelliten unterhalten.

Hohes Innovationstempo

Gleichzeitig besitzt China schon jetzt Überwachungsdrohnen, die getarnt in extremer Höhe operieren können. Die WZ-8 soll 48.000 Meter Höhe erreichen. Dort wäre sie für das Gros aller Luftabwehrsysteme unerreichbar. Sie könnte auch Ziele in einer Entfernung von 1000 Kilometern erfassen. Diese Drohnen müssen in ein Datennetz hoher Geschwindigkeit eingebunden werden. So könnten Kommandozentralen am Boden mit den Spähern in der Atmosphäre und den Abwehrjets verbunden werden. Eine derartige Lösung hätte gegenüber den Awacs den Vorteil, dass die exponierten Komponenten wie die Drohnen sehr viel billiger sind als ein Überwachungsflugzeug und daher in größerer Zahl beschafft werden können. 

Naturgemäß können die wirklichen Fähigkeiten von Waffensystemen und -projekten von außen nicht beurteilt werden. Dennoch ist das Innovationstempo, das Peking in der Militärtechnik erreicht, besorgniserregend. Hier sollte man auch daran denken, dass viele "Hightech"-Systeme des Westens vor zehn, 15 oder gar 20 Jahren entwickelt wurden. Und mit der Elektronik und Sensorik ausgestattet sind, die damals verfügbar war.

Quellen: SCMP, TWZ, Marin, The Times, Army Recognition